Anspruch auf Baugenehmigung

In allen Etagen waren zu zwei Seiten offene Loggien beziehungsweise offene Balkone und im Dachgeschoss offene Dachterrassen vorgesehen. Die Beklagte hielt das Mehrfamilienhaus nur dann für genehmigungsfähig, wenn es mit vollständig geschlossenen Fassaden ohne offene Loggien, Balkone und Dachterrassen und mit einer regulierenden Klimatechnik ausgeführt werde. Die Klägerin änderte ihren Bauantrag entsprechend ab. Die Loggien, die Balkone und die Dachterrassen sollten rundum verglast und das Haus mit Fenstern ausgeführt werden, die nicht geöffnet werden können. Die Klägerin erklärte schriftlich, per Baulast die Verpflichtung zu übernehmen, die jeweils als zweiter Rettungsweg dienenden Fenster nur im Gefahrenfall zu öffnen und die übrigen Fenster so auszuführen, dass sie nicht geöffnet werden können. Bauzeichnungen, in denen die als zweiter Rettungsweg dienenden Fenster farbig umrandet sind, und ein Lageplan wurden als wesentliche Bestandteile der Verpflichtungserklärung bezeichnet. Eine entsprechende Baulast mit der Nr. 2493/15 wurde am 1. Dezember 2015 in das Baulastenverzeichnis der Beklagten eingetragen.

Dann beantragte die Klägerin die Genehmigung für das Vorhaben. Die Änderung gegenüber dem genehmigten Mehrfamilienhaus soll darin bestehen, dass die Fenster und Fenstertüren so ausgeführt werden, dass sie geöffnet werden können, und die Loggien, Balkone und Dachterrassen keine geschlossene Verglasung aufweisen.

Das Vorhaben ist nach § 29 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 1 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig.

Das Vorhabengrundstück liegt in einem im Zusammenhang bebauten Ortsteil und das Vorhaben fügt sich in die maßgebliche nähere Umgebung nach Art und Umfang ein. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

Das Vorhaben entspricht auch trotz der vorhandenen Lärmbelastung des Vorhabengrundstücks den Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse (§ 34 Abs. 1 Satz 2, erster Halbsatz BauGB). Diese Bestimmung setzt als Regelung des Inhalts und der Schranken des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG) an Grundstücken im Innenbereich, die grundsätzlich zur Bebauung anstehen, eine äußerste Grenze für die Zulässigkeit ihrer Bebauung. Soweit das Erfordernis, gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu wahren, neben dem Gebot des Einfügens überhaupt eine eigenständige Bedeutung hat, etwa um in Gemengelagen die Verfestigung oder Fortsetzung einer städtebaulich nicht mehr adäquaten Art und Weise vorhandener baulicher Nutzung auszuschließen, ist seine Anwendung auf die Abwehr städtebaulicher Missstände beschränkt. Auch kann es in diesem Zusammenhang für die Wahrung gesunder Wohnverhältnisse auf den Schutz von Außenwohnbereichen nicht maßgeblich ankommen, wie ein Blick auf innerstädtische Wohnbedingungen ohne Weiteres ergibt.

Dass mit der Verwirklichung des Vorhabens ein städtebaulicher Missstand gegeben wäre, lässt sich nicht feststellen. Maßgeblich ist insoweit, ob ein Bewohnen des bereits errichteten Mehrfamilienhauses nach den mit dem Vorhaben geplanten Veränderungen ohne die Preisgabe des gebotenen, nach objektiven Durchschnittskriterien zu beurteilenden Mindestmaßes an Wohnruhe, Erholung und ungestörtem Schlaf möglich ist.

Hiervon ist unter Berücksichtigung der insoweit einschlägigen bundesrechtlichen Regelungen in dem Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm – FluLärmG – auszugehen. Das Gesetz schränkt die bauliche Nutzung von Grundstücken in bestimmten Bereichen ein und verlangt baulichen Schallschutz in der Umgebung von Flugplätzen, um den Schutz der Allgemeinheit und der Nachbarschaft vor Gefahren, erheblichen Nachteilen und erheblichen Belästigungen durch Fluglärm sicherzustellen (§ 1 FluLärmG). Das grundsätzliche Verbot, in der auf der Grundlage des FluLärmG eingerichteten Tag-Schutzzone 1 und in der Nacht-Schutzzone, innerhalb derer das Vorhabengrundstück liegt, Wohnungen zu errichten (§ 5 Abs. 2 FluLärmG), gilt gemäß § 5 Abs. 3 Nr. 5 FluLärmG nicht für im Zusammenhang bebaute Ortsteile. Wohnungen dürfen nach § 6 FluLärmG unter anderem in den Fällen des § 5 Abs. 3 Nr. 5 FluLärmG aber nur errichtet werden, wenn sie den nach § 7 FluLärmG festgesetzten Schallschutzanforderungen genügen.

Das Vorhaben erfüllt die Anforderungen, die sich aus der auf der Ermächtigungsgrundlage des § 7 FluLärmG beruhenden Flugplatz-Schallschutzmaßnahmenverordnung – 2. FlugLSV – ergeben, wie sich aus der von der Klägerin vorgelegten Stellungnahme des Büros I. vom 21. Januar 2020 ergibt. Danach sind für das Vorhaben die baurechtlichen Anforderungen an den Schallschutz gegen Fluglärm nach DIN 4109, Ausgabe 1989, rechnerisch nachgewiesen. Die Beklagte hat keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die diese gutachterliche Stellungnahme erschüttern könnte. Soweit der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, dass das Öffnen eines Fensters zu einem deutlich höheren Innenschallpegel im jeweiligen Raum führen würde, ist klarzustellen, dass nach der Regelungstechnik der 2. FlugLSV allein auf pauschalierte Bauschalldämmmaße abzustellen ist. Der Gesetzgeber hat dabei das geringere Schalldämmmaß eines gekippten Fensters von lediglich 15 dB(A) ausdrücklich bei der Festlegung der Maximalpegelwerte für die Nachtschutzzone, bei denen es sich, anders als bei den Dauerschallpegeln, um Innenwerte handelt, in Rechnung gestellt.

Das Vorhaben verstößt auch nicht gegen Bauordnungsrecht. Die von der Beklagten angeführte Regelung des § 48 Abs. 4 Satz 4 BauO NRW a.F., wonach Aufenthaltsräume, die dem Wohnen dienen, anstelle einer Lüftung durch Fenster mechanisch betriebene Lüftungsanlagen haben dürfen, wenn wegen der Gesundheit Bedenken nicht bestehen und die Lüftungsanlagen der Energieeinsparung dienen, steht dem Vorhaben ersichtlich nicht entgegen. Insoweit könnte sich vielmehr nur in Bezug auf das unter dem 17. Dezember 2015 genehmigte Mehrfamilienhaus die Frage stellen, ob die von der Beklagten verlangte Ausführung der Fenster in der Form, dass sie nicht geöffnet werden können, mit dem Sinn und Zweck dieser Regelung vereinbar ist, die ersichtlich von dem Regelfall einer Lüftung durch Fenster ausgeht.

Auch ein Verstoß gegen die allgemeinen Anforderung des § 3 BauO NRW a.F. scheidet aus. Nach dessen Abs. 1 Satz 1 sind bauliche Anlagen so zu errichten, dass die öffentliche Sicherheit oder Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit oder die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden. Die der Wahrung dieser Belange dienenden allgemein anerkannten Regeln der Technik sind nach Satz 2 zu beachten. Unabhängig davon, inwieweit § 3 BauO NRW a.F. für die Abwehr der hier in Frage stehenden, nicht von der baulichen Anlage selbst ausgehenden Gefahren überhaupt einschlägig ist, ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, dass die allgemein anerkannten Regeln der Technik im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 BauO NRW a.F., insbesondere die DIN 4109, beachtet worden sind.

Schließlich steht auch die eingetragene Baulast Nr. 2493/15 dem Vorhaben nicht entgegen. Es handelt sich insoweit nicht um eine öffentlich-rechtliche Vorschrift im Sinne des § 75 Abs. 1 BauO NRW a.F.

Unabhängig davon bezieht sich die Baulast nicht auf das Vorhaben. Baulasten sind wie andere Rechtstexte auslegungsfähig. Durch Auslegung des in das Baulastenverzeichnis eingetragenen Textes muss gegebenenfalls ermittelt werden, ob die Baulast grundstücksbezogen zu verstehen ist oder ob sie nur ein konkretes Vorhaben absichern soll. Diese Frage lässt sich nicht generell in dem einen oder dem anderen Sinne beantworten. Entscheidend ist vielmehr, welcher Inhalt der Baulast sich bei verständiger Würdigung ergibt.

Übernimmt ein Grundstückseigentümer für sein Grundstück eine Baulast im Hinblick auf ein bestimmtes Bauvorhaben, folgt allein daraus nicht, dass die Baulast nur der Verwirklichung eben jenes Bauvorhabens dient und in ihrer Wirkung darauf beschränkt ist. Mit Blick auf die weitreichenden Rechtswirkungen einer Baulast (§ 83 Abs. 1 Satz 3 BauO NRW) erfordert die Beschränkung auf ein konkretes Bauvorhaben eine eindeutige Formulierung. Der Grundstückeigentümer muss das betreffende Bauvorhaben in der Baulasterklärung unmissverständlich und eindeutig so konkret bezeichnen, dass sich die entsprechenden Rechtswirkungen der Baulast hinreichend verlässlich eingrenzen lassen.

Von einer solchen Beschränkung auf das am 17. Dezember 2015 genehmigte Mehrfamilienhaus ist hier auszugehen. Die während des Genehmigungsverfahrens von der Beklagten geforderten Veränderungen der Planung und die Übernahme der Baulast durch die Klägerin sollten gewährleisten, dass das Dach und die Fassaden des Mehrfamilienhauses aus Lärmschutzgründen rundum geschlossen ausgeführt werden. Anhaltspunkte dafür, dass mit der Baulast zugleich sichergestellt werden sollte, dass jedes Gebäude, das auf dem Vorhabengrundstück errichtet wird, entsprechend ausgeführt werden muss, sind nicht ersichtlich. Das Gegenteil folgt bereits aus der konkreten Bezugnahme auf die in den der Baulasterklärung beigefügten Zeichnungen farblich markierten Fenster. Bei einem beliebigen anderen Gebäude ginge diese Bezugnahme ins Leere.

Das Vorhaben ist dem besagten Mehrfamilienhaus gegenüber ein anderes, nämlich ein solches ohne Rundumverglasung der Loggien, Balkone und Dachterrassen und mit Fenstern, die sämtlich geöffnet werden können und den Einbau von Lüftungsanlagen überflüssig machen. Zudem wirft das Vorhaben die Genehmigungsfrage schon deshalb neu auf, weil die Tiefe der erforderlichen Abstandsflächen ohne die Rundumverglasung der Loggien, Balkone und Dachterrassen anders zu berechnen ist als für das genehmigte Mehrfamilienhaus. Es sei daher lediglich angemerkt, dass eine Baulast im öffentlichen Interesse die Voraussetzungen dafür schaffen soll, dass ein Bauvorhaben genehmigt werden kann, indem sie rechtliche Hindernisse, die der Erteilung der Baugenehmigung entgegenstehen, ausräumt. Solche rechtlichen Hindernisse bestanden hier, wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, von vornherein nicht. Die Beklagte wollte mit der Baulast auch nach ihrem Inhalt gar keine das damals zur Genehmigung gestellte Mehrfamilienhaus betreffenden rechtlichen Hindernisse ausräumen. Die Baulast sollte vielmehr nur die Umsetzung der für das Mehrfamilienhaus erteilten Baugenehmigung sicherstellen, soweit es um die von der Beklagten geforderte Ausführung der Fenster ging. Zu diesem Zweck ist das Instrument der Baulast nicht vorgesehen.

Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. ist Diplom-Jurist mit erstem juristischem Staatsexamen, sowie Volljurist mit der Befähigung zum Richteramt mit zweitem juristischem Staatsexamen.

Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. hat eine kaufmännische Medienausbildung, sowie eine umfangreiche Tätigkeit als Journalist, Redakteur, Pressereferent und Künstlermanager vorzuweisen. Zudem kann Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. auf einen breiten immobilienfachlichen und immobilienrechtlichen über 10-jährigen Erfahrungsschatz (seit 2008) als Immobilienmakler und Immobilienverwalter mit Gewerbeerlaubnis nach § 34c zurückgreifen.

Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. kann einen Masterabschluss der Rechtswissenschaften vorweisen.

Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. hat seit dem Jahr 2017 die Zulassung als Rechtsanwalt und vertritt Eigentümer von Immobilien im Immobilienrecht, Mietrecht, Baurecht und Nachbarschaftsrecht.

Zudem hat Dipl.-Jur. Jens Usebach LL.M. an zahlreichen Vermittlungen und Verkauf (Real Estate) von Mehrfamilienhäusern, Einfamilienhäusern, Gewerbeobjekten, Wohnungen und Grundstücken mitgewirkt.

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